Briefe an Freunde, Novosibirsk (Norbert Schott)

Registrieren in Omsk, Kälte und Briefe an Gott

18. Januar 2004

Draußen liegt ein Meter Schnee, es sind minus 25 Grad. Ich bin bei Andreas, meinem ehemaligen Dresdner Mitbewohner. Auf dem Fußboden spielen Deutsche, Russen, Chinesen und Koreaner "Durak", auf Deutsch "Dummkopf". Selbst nach der fünften Erklärung begreife ich das Spiel nicht, sehr eigenartig.

Inzwischen habe ich eine Registrierung. Wie immer war alles schrecklich kompliziert, und am Ende ging es doch. Andreas hat das in Worte gefasst: "In Deutschland funktioniert alles, aber nichts geht. In Russland funktioniert zwar nichts, aber alles geht!" Im Falle meiner Registrierung musste ich also nur über drei Novosibirsker Instanzen feststellen, dass für mich Omsk zuständig ist, dort zwei Anträge stellen, der Uni einen Kooperationsvertrag abringen, in der Meldestelle zweimal vorsprechen, irgendwo 60 Cent bezahlen und jemandem Pralinen schenken. mitten in der Prozedur stellte die uni verwundert fest, dass man nun einen Ausländer im Hause hat, wovon ja niemand wüsste. Aber ein klärendes Gespräch mit dem Rektor und diversen Stellvertretern hat auch dort alles gelöst. Am Ende hatte ich alle Unterschriften und sogar einen Ausweis, der nun offiziell meine Existenz als "Lernender" bestätigt. Nur ein "Student" darf ich nicht sein.

In der Meldestelle wollte man dann partout meine Omsker Adresse, die es natürlich gar nicht gibt, wissen. Auf eine Straße mitsamt Hausnummer war ich vorbereitet. Aber die Zimmernummer? "Die weiß ich nicht genau." "Sagen sie mir die Zimmernummer, oder ich stelle Ihnen heute keine Registrierung mehr aus!"
"Nun, ich glaube, es war die 210." "Sehen Sie, wenn Sie wollen, können Sie sich doch erinnern!" Wäre noch interessant, herauszufinden, ob es tatsächlich ein Zimmer 210, wie es nun in meinem Pass steht, gibt ...

Stolzer Besitzer eines Mobiltelefons bin ich nun auch. Das unternehmen geht mir ja auch ein wenig auf den Keks. In Omsk funktioniert die Karte nicht, für Roaming muss man 100 Dollar aufladen! Ein extra Vertrag in Omsk ist hingegen kostenlos. So habe ich nun extra Nummern in Novosibirsk und in Omsk. Ich kann Euch nur anrufen, wenn ich in Novosibirsk bin - denn schon die Möglichkeit, aus der Stadt heraus zu telefonieren, muss man extra beantragen. Aber das ist teuer. Umgedreht ist es viel günstiger, dennoch, für eingehende anrufe zahle ich stets - russische Logik. Aber ruft dennoch an! Klappt es nicht, ist mein Handy mal wieder am sibirischen Frost gescheitert. Obwohl es bei Nokia in Finnland eigentlich nicht viel wärmer sein kann!

Der Frost schlägt also immer wieder zu. Im Moment pendelt die Quecksilbersäule zwischen minus 8 und minus 25. Den Unterschied merkt man vor allem, wenn man sich nicht bewegt. Vorgestern haben wir zehn Minuten auf Freunde gewartet. Und trotz Cha-Cha-Cha auf dem Fußweg ist Ksenia die Nase eingefroren. Das passiert wirklich, die Nase wird dann ganz dick. Manchmal bleibt wohl auch ein Punkt auf der Nasenspitze zurück, Ksenia hatte aber Glück.

Meine Wohnung ist dennoch weiter überheizt. Obwohl einer der Heizkörper abgestellt ist - ein Wunder, dass das überhaupt geht - und die anderen abgedeckt sind. Nur mit offenen Oberlichtern ist es angenehm, vorausgesetzt man macht ab und zu mal ein Fenster richtig auf. Bei minus 25 Grad sehr eigenartig, wirklich.

In Russland läuft übrigens noch immer die TV-Serie "Golod", in der zehn Russen in Berlin essen suchen müssen. Reality-TV! Sie arbeiten dann als Box-Sparring-Partner oder Straßenmusikanten, um ein paar Euro zu verdienen. Ein weiterer Höhepunkt im russischen Fernsehen ist im Moment "Nachrichten ohne Politik". Viel besser sind auch die beliebten Zeitungen nicht. In der ehemals unabhängigen Zeitung "Argumenty i Fakty" habe ich einen Leserbrief entdeckt:
"Stimmt es, dass man Gott persönlich einen Brief schreiben kann?" Antwort: "Wie der Pressesprecher des Postministeriums mitteilt, kommen tausende an Gott adressierte Briefe an. [...] Adresse: Israel, Jerusalem, Gott. Alle Briefe werden nach Bearbeitung dem israelischen Ministerium für religiöse Angelegenheiten übergeben. [...]" Ob Briefe an Gott helfen, wird immerhin in Frage gestellt, ein ordentliches Gebet wäre wohl besser.