Briefe an Freunde, Novosibirsk (Norbert Schott)

Schwimmbad

27. Dezember 2007

Ich komme soeben aus dem Schwimmbad - angesichts eines etwas bewegungsarmen Arbeitsalltags habe ich mich entschlossen, wöchentlich Schwimmen zu gehen. Russische Schwimmbäder sind ein Erlebnis für sich.

Bevor man Schwimmen gehen will, benötigt man ein Gesundheitszertifikat. Diese Bescheinigung soll theoretisch bezeugen, dass man keine übertragbaren Krankheiten hat. Praktisch wird dies vom Arzt nur selten geprüft, da jeder vernünftige Mediziner froh ist, wenn seine Patienten überhaupt Sport treiben. Zudem kann sich ein halbwegs begabter Computernutzer den Wisch selbst im Photoshop bauen. Unbegabte kaufen sich die Zettelchen wiederum bei Begabten.

In Akademgorodok, dem Wissenschaftlerstädtchen bei Novosibirsk, wo ich arbeite, gibt es theoretisch drei Schwimmhallen. Die Anlage der Universität soll seit zehn Jahren demnächst eröffnet werden. Die Halle der Akademie der Wissenschaften wird auch vorübergehend renoviert. Immerhin hat die Schwimmhalle am Haus der Jugend offen - dort sind dementsprechend abends alle Termine ausgebucht. Richtig gelesen, es gibt Termine!

Geschwommen wird im Dreiviertelstundentakt. Ich darf beispielsweise Donnerstags von 11:30 bis 12:15 ins Wasser. Am Monatsanfang muss ich meinen Wunschzeitraum festlegen, welcher in einem Schwimmausweis vermerkt wird. Verschieben geht später nur in Einzelfällen. Will man keinen festen Wochentag, sondern ein flexibles Abo, kostet es mehr. Einzelne Besuche sind noch teurer.

Pünktlich um 11:15 ist Einlass. Mantel und Schuhe sind vorher in der Garderobe abzugeben, laut Hausordnung ist für die Schuhe eine Tüte mitzubringen, damit sie die Gardarobenfrau aufhängen kann. Zum Glück ist Selbige nett und hat meist ein paar Tüten für Vergessliche vorrätig. Am Einlass bekommt man nach Abgabe des Schwimmausweises ein kleines Gummiarmband mit einer Nummer. Im großen Umkleideraum sucht man sich den Kleiderbügel mit dieser Nummer heraus und hängt alle seine Sachen daran auf. Bis auf die Unterhosen, denn im Umkleideraum befindet sich eine weitere Gardarobenfrau, welcher man den Kleiderbügel übergibt. Diese Frau hat auch eine große Auswahl an Badekappen, Badehosen und Schwimmbrillen zur Ausleihe parat - sehr praktisch, wenn man die Badekappenpflicht (Hausordnung!) vergessen hat.

Mit Schlappen, Handtuch, Waschlappen (Hausordnung!), Shampoo und Badezeug geht es nun in den Vorraum der Dusche, wo man die Unterhosen in einem Regal zurücklässt. Nach dem Duschen wartet man am Beckenrand, bis die große Schulklingel klingelt. Warum diese schon um 11:29 Uhr klingelt, weiß ich nicht, aber es ist so. Bis pünktlich 12:14 Uhr darf ich nun meine Runden drehen. Hin- und her, denn mehr kann man in der Schwimmhalle nicht machen.

Nach der Dusche bekleidet man sich wieder mit seiner Unterwäsche. Das Gummibändchen mit der Nummer tauscht die Frau im Umkleideraum anschließend gegen den Bügel, welchen man am Ende noch brav an die richtige Stelle hängen muss - sonst würden die nächsten Besucher ihren Bügel zwischen den 98 anderen kaum mehr finden.

Nach Verlassen des Umkleideraums bekommt man seinen Schwimmausweis wieder, kann sich seinen Mantel und die Schuhe abholen und entspannt nach Hause spazieren. Heute war dies besonders angenehm - der Schnee knarscht herrlich, denn es sind gerade unter minus 20 Grad. Sehr schön!