Briefe an Freunde, Novosibirsk (Norbert Schott)

Umgezogen - nun auch auf dem Papier

07. Januar 2008

Ich bin umgezogen. Praktisch im November 2006, theoretisch aber erst im Dezember 2007.

Offiziell war unser Haus lange noch eine Baustelle. Dass dies nicht nur theoretisch sondern auch praktisch so war, demonstrierte uns im letzten Winter der Heizungsmonteur, indem er nach einer Routineuntersuchung die Heizungsrohre unter Druck setzte ohne zuvor das Ablassventil auf dem Dachboden zu schließen. Zehn Minuten nachdem die Heizung warm wurde, ergoss sich ein kleiner Wasserfall aus dem Deckenleuchter.

Bis wir zusammen mit dem Direktor der Baufirma die Ursache gefunden hatten - die Wohnung über uns sowie der Dachboden waren verschlossen, der Direktor saß elf Etagen unter uns und der Fahrstuhl war natürlich nicht in Betrieb - hatten sich 300 Liter Wasser auf dem Dachboden verteilt. Diese mussten nun schnellstmöglich aufgewischt werden - wobei die Raumtemperatur auf dem Boden (minus zwölf Grad) besonders motivierend wirkte. Nicht weil es Spaß macht, sich die Hände zu unterkühlen, vielmehr war die Vorstellung eines zweiten Wasserfalls pünktlich zur Schneeschmelze im Frühjahr wenig einladend.

Während eines Kontrollgangs in die Wohnung über unserer - der Direktor hatte uns den Schlüssel überlassen, damit er in Zukunft seltener Treppen steigen muss - stellten wir erneut Wasser im Hausflur fest. Ein Nachbar war schon dabei, das Wasser mit einem Schrubber zurück zur betroffenen Wohnung zu schieben: "Keine Sorge, ich achte darauf, dass es uns nicht überschwemmt." An einer echten Problemlösung war er am späten Samstagabend nicht interessiert.

Kurz vor Mitternacht hatte unsere Nachricht über andere Nachbarn, den Leiter der Hausgemeinschaft sowie den Direktor der Baufirma endlich die Wohnungsbesitzer erreicht. Die Wohnung glich einem römischen Dampfbad. Und Schuld waren in diesem Fall Handwerker, welche neue Scheuerleisten montiert hatten. Dass der Widerstand bei der einen Schraube das Heizungsrohr war, zeigte sich erst nach Ende der oben erwähnten Routineuntersuchung.

Ein weiteres Kapitel der einjährigen Übergangszeit sind unsere Handtuchwärmer. Wie in jedem russischen Haus sind diese am Warmwasser angeschlossen - bei uns am Rücklauf. Oft ist der Handtuchhalter jedoch kalt, weil die Baufirma am höchsten Punkt des Systems - in besagter Wohnung über uns - ein Luftablassventil vergessen hat. Staut sich dort Luft, fließt kein Warmwasser zurück und der Halter bleibt kalt. An einem anderen Strang sind die Handtuchwärmer immer kalt - dort störte das Rohr einen Bewohner. Also hat er es abgesägt und zugeschweißt. Dass nun 13 andere Wohnungen einen kalten Handtuchhalter haben, wurde ihm erst später klar.

Die Nachbarn unter uns fanden die Idee, die Wohnung mit dem Warmwasserstrang zu heizen, so gut, dass sie eine Fußbodenheizung für die ganze Wohnung an die Leitung gehängt haben. Später stellte sich heraus, dass diese Fußbodenheizung schuld daran ist, dass bei uns auch aus dem kalten Wasserhahn öfters brühend heißes Wasser kommt. Die Nachbarn hätten lieber einen Profi engagieren sollen, der das Ende des Schlauches an den richtigen Wasserstrang anschließt.

Am Ende des vergangenen Winters konnte die Baufirma das Haus mit nur sieben Monaten Verspätung übergeben. Schon nach zwei Monaten waren genügend Unterschriften zur Gründung einer Eigentümergemeinschaft gesammelt, schon nach wenigen Wochen war diese Gemeinschaft registriert. Nun dauerte es nur noch vier Monate bis dieser Hausgemeinschaft das Haus überschrieben wurde und einen weiteren, aus bis meine Schwiegereltern offiziell Wohnungsbesitzer wurden - vorher waren sie nur "Investoren". Alles ganz passabel schnell für Russland.

Nun konnte ich mich endlich auch faktisch dort melden, wo ich praktisch schon ein dreiviertel Jahr wohnte. Dazu musste ich in meiner bisherigen Meldestelle einen Antrag schreiben. Die fünf Wochen, bis die Abmeldung mit einem Stempel im Pass bestätigt wurde, verwendete ich, um meine Schwiegereltern für eine Einverständniserklärung zum Notar zu schleifen, die Eigentümergemeinschaft um eine Bestätigung zu bitten und notwendige Formulare in der neuen Meldestelle zu holen. Für die Registrierung waren noch sechs Euro zu zahlen - das Ausfüllen der vielfältigen 20-stelligen Nummern auf russischen Überweisungsträgern ersparte ich mir für eine weitere Gebühr von knapp zwei Euro.

Antrag, formloses Begleitschreiben, Nachweis für die Überweisung, Einverständniserklärung, Bestätigung der Eigentümergemeinschaft und Kopien meines Passes, des Passes meines Schwiegervaters sowie der Besitzurkunde für die Wohnung ... im Tausch für diesen Stapel gab es den neuen Meldestempel sowie ein neues Formular. Dieses war nun wiederum in die bisherige Meldestelle zu faxen, damit diese meine Akte über das Migrationsamt in die neue Meldestelle schickt.

Jetzt wohne ich also endlich legal in unserer Wohnung. Kaltwasser, Handtuchwärmer und Heizung funktionieren - praktisch bei minus 30 Grad Außentemperatur. Und selbst die Fahrstühle sind in Betrieb!